Ranking ist nicht alles: User Experience schlägt Suchmaschinenoptimierung

Durch SEO wollen Unternehmen ihre Website im Google-Ranking nach oben bringen. Löblich. Problematisch wird es aber, wenn die Suchmaschinenoptimierung auf Kosten attraktiver Inhalte geht.

Ich gebe es unumwunden zu: SEO und ich sind nicht die besten Freunde – waren es nie und werden es vermutlich niemals sein. Einmal mehr ist mir das bewusst geworden, als vor Kurzem einer unserer Kunden einen Workshop bei einer renommierten SEO-Agentur gebucht hatte. Zwei junge Beraterinnen sollten dem Unternehmen einmal grundsätzlich erklären, wie sich die eigenen Websites bei Google ganz nach oben bringen lassen. Da wir uns um die Texte kümmern, war auch ich eingeladen. Ebenso der Chef der Internetagentur, die die Seiten technisch betreut. Alle Beteiligten saßen also am Tisch. Ein guter Anfang.

Und was die beiden Beraterinnen in den folgenden Stunden sagten, hatte – soweit ich das einschätzen kann – auch alles Hand und Fuß: Dass die meisten Nutzer maximal die erste Trefferseite zur Kenntnis nehmen und Unternehmen daher mit einer Platzierung auf Rang 11 kaum etwas anfangen können. Dass die strategische Auswahl der Keywords das A und O ist. Dass im Grunde für jedes Keyword eine einzelne Seite optimiert werden muss. Dass dort das jeweilige Keyword in gewisser Anzahl und an bestimmten Stellen vorkommen sollte. Und natürlich noch einiges mehr.

Erst die Suchmaschine, dann der Mensch?

Fachlich lässt sich dagegen gewiss nichts einwenden. Wenn ein Unternehmen zu einem Keyword auf den ersten zehn Plätzen landen will, muss es seine Website nach den Vorstellungen von Google optimieren. Welche das im Einzelnen sind, verrät der Suchmaschinen-Gigant in einer Einführung recht ausführlich. Die Folge davon kann sein, dass ein Internetauftritt für Google aufgehübscht wird, der menschliche Besucher aber schnell aus dem Blickfeld gerät  – und das bereitet mir Unbehagen. Zwei Beispiele dazu:

  1. Weil jedes Keyword eine eigene Seite benötigt, liegt es aus SEO-Sicht nahe, einfach die entsprechenden Seiten zu erstellen. Ob sich diese überhaupt inhaltlich sinnvoll in das Gesamtbild des Auftritts einfügen und ob Besucher etwas mit dem zusätzlichen Material anfangen können, ist zweitrangig.
  2. Der Google-Algorithmus steht auf Keywords in der H1-Headline, die möglichst weit vorne platziert sind – so hört und liest man jedenfalls immer wieder. Das schränkt den Texter extrem ein, kreativ und spielerisch mit Überschriften umzugehen und die Besucher so für den Inhalt zu gewinnen.

Schluss mit Dogmatismus

Genug lamentiert. Es hilft ja nichts. Google gibt den Takt vor und Unternehmen haben ein berechtigtes Interesse, gefunden zu werden. Wünschen würde ich mir aber weniger Dogmatismus bei den SEO-Agenturen und mehr Gelassenheit bei den Unternehmen. Will heißen: Wo Onpage-Maßnahmen der User Experience nicht schaden, kann und sollte in die Vollen gegangen werden – so beim Quellcode, den URL oder den Meta-Elementen. Und auch gegen gezielte Offpage-Aktivitäten spricht nichts, im Gegenteil. Fingerspitzengefühl ist dagegen dann gefragt, wenn es um den Inhalt auf der Seite geht. Hier braucht es Texter, die Informatives und Unterhaltsames nach dem Bedarf der Besucher aufbereiten und sprachlich gestalten. In manchen Fällen lässt sich dann vielleicht ein Glossar in die Website integrieren, das sämtliche Keywords berücksichtigt und damit sogar einen zusätzlichen Nutzen bietet. In anderen Fällen geben das die Keywords möglicherweise nicht her, weil sie alle einen ähnlichen Sachverhalt beschreiben. Beispielsweise hätte unsere Agentur größte Schwierigkeiten, die Begriffe PR, Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation sinnvoll auf einzelnen Seiten unserer Website unterzubringen. Kurz und gut: Beim Inhalt folge ich weiterhin einer Empfehlung von Google. Das Unternehmen schreibt nämlich selbst: „Erstellen Sie Seiten in erster Linie für Nutzer, nicht für Suchmaschinen.“

Weiterlesen

Einen guten Überblick über alles, was zur Suchmaschinenoptimierung dazugehört, bietet das SEO Book. Zum Thema SEO vs. User Experience findet sich ein lesenswerter Beitrag bei socialmedia today. Und im Search Engine Journal  ist zu erfahren, wie sich beide Welten miteinander versöhnen lassen.