Das SINUS-Institut und nugg.ad haben einen Weg gefunden, aus dem Surfverhalten die Milieu-Zugehörigkeit abzuleiten.
Unternehmen können künftig ihre digitale Kommunikation einfacher nach den Grundhaltungen und Lebensweisen der Zielgruppen ausrichten. Dazu haben das SINUS-Institut und der Digital-Spezialist nugg.ad die etablierten zehn Sinus-Milieus auf die Online-Welt übertragen. Die Typologie segmentiert nicht nur nach soziodemographischen Merkmalen, sondern berücksichtigt auch geografische und verhaltensbezogene Variablen: Die Performer beispielsweise gehören tendenziell zur Oberschicht, handeln effizienzorientiert, haben einen avantgardistischen Geschmack und weisen eine hohe IT- und Multimedia-Kompetenz auf. Dagegen ist das Leben der Prekären durch eine schlechte soziale Situation, Zukunftsängste und Ressentiments geprägt. Die Lage und die Grundorientierung aller zehn Milieus bildet die „Kartoffelgrafik“ des SINUS-Instituts ab. Hier ist auch die relative Verteilung in der Gesellschaft ablesbar.
„Wir haben mithilfe von statistischen Modellen und Online-Befragungen analysiert, wie Surfgewohnheiten und Milieu-Zugehörigkeit zusammenhängen. Damit lässt sich jetzt allein auf Basis des digitalen Verhaltens eines Nutzers einschätzen, aus welchem Segment er stammt“, sagt Jan Hecht vom SINUS-Institut. Unternehmen können damit zum Beispiel herausfinden, welche Milieus hauptsächlich die Website besuchen und diese dann nach deren Vorlieben gestalten – etwa das Design oder die Tonalität. Möglich ist auch, Anzeigenkampagnen Milieu-spezifisch auszusteuern.
Likörchen oder Liquor? Das Milieu macht den Unterschied
Interessant wird zu beobachten sein, was die Unternehmen aus der neuen Targeting-Möglichkeit machen. Wie handelt etwa ein Likör-Hersteller, wenn er erkennt, dass auf seiner Seite vor allem Konservativ-Etablierte (Exklusivitätsanspruch und Standesbewusstsein) und Hedonisten (Fun, Fun, Fun) nach Hochprozentigem suchen? Wenn er es mit der Milieu-spezifischen Ansprache ernst meint, führt kein Weg an zwei Auftritten vorbei. Einmal der edle Tropfen als besonderer Aperitif in erlesener Runde. Und einmal der Liquor als Vorglüh-tauglicher Stimmungs-Booster.
Die Frage ist auch, was die Nutzer davon halten, wenn Unternehmen mittels Cookies in ihr Innerstes (denn dazu zählen Werte und Grundorientierungen wohl) blicken. Sicher freuen sich einige darüber, auf diese Weise zielgenauer mit (Werbe-)Informationen angesprochen zu werden. Bei anderen wird das Unbehagen dagegen weiter zunehmen – und sie werden sich technisch gegen Tracking und Targeting wehren. Hier sind die Unternehmen in der Pflicht, Vertrauen zu schaffen. Und das gelingt nur, wenn sie die Nutzer offensiv über die Verwendung von Cookies informieren.